Seachnall ar’sáiledún steckt in großer Not – seine Tochter wurde entführt! Was liegt da näher, als sich in den Tavernen der umtriebigen Hafenstadt nach einer geeigneten Abenteurergruppe umzuschauen. Irgendjemand wird bestimmt sein Herz in die Hand nehmen, um für eine ansehnliche Belohnung die junge Tochter aus den Klauen der Entführer zu befreien. Seachnall ar’sáiledún wird auch dieser Abenteurergruppe für immer und ewig dankbar sein.


A25 Auftraggeber.

Seachnall ar`sáiledún, Händler – Grad 3

(Wohnort Rasterkarte: S28)

In einem Augenblick der äußersten Langeweile, wenn der vierte Bierkrug geleert ist und die Abenteurer voller Vorfreude an ihr daunenweiches Bettlager im ach so geräumigen Fünfbettzimmer denken, schwingt leise die Eingangstüre zur Taverne auf. Fast verstohlen huscht eine Gestalt herein, die sich sichernd nach allen Seiten umschaut, bevor sie anscheinend zielstrebig auf die Abenteurer zugeht. Er nimmt ohne Aufforderung Platz und flüstert ihnen eine Geschichte ins Ohr, die sie ihre Müdigkeit schnell vergessen lässt.

Der Mann stellt sich als Seachnall ar’sáiledún vor. Ein Nachkomme adliger Vorfahren sei er, wie er mit akzentuierter Stimme verrät, wobei er jedes seiner Worte mit Bedacht wählt, der jüngste von zwei Söhnen, von seinem älteren Bruder schmählich von der elterlichen Burg getrieben, weil er dessen böse Machenschaften nicht länger dulden konnte. Zum Glück habe er ein Großteil des Vermögens sichern und mit nach Cuanscadan bringen können, wo er im Bürgerviertel, dem angesehensten Teil der Stadt, ein herrschaftliches Anwesen erworben habe. Dort lebe er mit seiner Ehegattin und der Tochter.

Die Abenteurer können seinen Angaben durchaus Glauben schenken, denn das Äußere des mittelgroßen, robust gebauten Mannes unterstreicht seine edle Herkunft. Seine Füße stecken in einem Paar feiner Stiefel aus hellbraunem Leder. Ein allzu genauer Beobachter wird feststellen, dass die ihre besten Tage bereits gesehen haben, was im Übrigen für seine gesamte Staffage gilt. Über der weich fallenden Pluderhose aus dunkelblauer, kühler Seide trägt er ein himmelblaues Hemd aus demselben edlen Stoff. Sein locker fallendes, tiefschwarzes Haupthaar, das ob seiner Fülle sein Alter schwer schätzbar macht (er wird aber bereitwillig zum Besten geben, dass er die Vierzig gerade mit einem rauschenden Fest, zu dem sogar die Fürstenfamilie ihre Aufwartung machte, feiern konnte), ziert ein großzügiger Hut mit einer galanten Vogelfeder. Und seinen erdfarbenen Schnurmantel wirft er mit der erwarteten Nonchalance eines Edlen über den Stuhl.

Dann wird er die Abenteurer in ein – wie er verstohlen sagt – düsteres Geheimnis einweihen: Seine Tochter Eilinn wurde in den Morgenstunden (oder in der Nacht, so genau will er sich nicht festlegen, ihr Schlafgemach jedenfalls war leer, das Bett noch unbenutzt) entführt! An die Obrigkeit kann er sich nicht wenden, denn ein Bursche habe ihm die Botschaft übermittelt, beim Leben seiner Tochter niemanden zu informieren. Die Botschaft hat er … Seachnall wird in seinen Taschen kramen und suchen und kramen … Jedenfalls stand das in der Nachricht der Entführer. Er zweifelt nicht an deren Echtheit, lag doch eine Locke der Tochter dabei. Nun suche er inständig die Hilfe einer mutigen Abenteurergruppe, die sich auf den Weg machen und seine Tochter befreien.

Auf die Frage, wohin man sich denn auf den Weg machen solle, wird er in kaum noch vernehmbarem Wispern erzählen, dass seine Tochter mit absoluter Gewissheit im valianischen Kanalsystem unter der Altstadt gefangen gehalten wird. Er habe Gerüchte gehört, dass eine solche Entführung nicht zum ersten Mal erfolgt sei, und er vermute sogar, dass die Kanalisation bis unter den Cuilgach führt. Vielleicht – jetzt kann man ihn nur noch verstehen, wenn man an seinen Lippen hängt -, vielleicht steckt ja der Fürst dahinter, der auf seiner Feier so freundlich tat, um die Lage auszuloten. Seachnall wird nach diesen Erklärungen erschöpft zurücksinken und ein paar Tränen verdrücken. Sein Blick spricht beredt von seinen Ängsten um die Tochter.

Was aber kann Seachnall für die Befreiung der Tochter bieten. Zuerst einmal dürfen sich die Abenteurer auf seine Kosten – „Lasst alles anschreiben, ich bürge mit meinem guten Namen!“ – vollständig einrüsten und in den Läden kaufen, was ihr Herz begehrt. (Wenn sie das am nächsten und den folgenden Tagen machen, werden die Händler beim Namen Seachnall ar’sáiledún die Augen verdrehen und bitten, doch selbst in Vorleistung zu treten, denn „angeschrieben“ wird grundsätzlich nicht.) Er wird auch die Rechnung für ihre Übernachtungen und – „Es ist mir eine Ehre, tapfere Gefährten (und Gefährtinnen …) wie euch mit den saftigsten Braten und den vollmundigsten Weinen bei Laune zu halten!“ – Mahlzeiten übernehmen und sie begleichen, sobald seine Tochter in seinen Armen liegt. Und jedem – „Egal, ob tot oder lebendig!“ – garantiert er einen kleinen Sack voll Schlangenräder.

Auf Nachfrage wird er noch eine Beschreibung seiner Tochter liefern („grazil wie eine Nachtfee, eine kleine Stupsnase mitten im Gesicht, dazu hellwache Augen und die schwarze Lockenpracht des Vaters …“)

Die Adresse im Bürgerviertel, die er bei Begehr angibt – „Ihr könnt das große Anwesen hinter dem Rosenbrunnen nicht verfehlen – achtet auf das schmiedeeiserne Doppeltor mit den Drachenköpfen!“ – existiert zwar, aber das Haus ist im Besitz eines wohlhabenden Tuchhändlers. Seachnall wird sich erst verabschieden, wenn die Abenteurer ihre Mithilfe versprochen haben. Er wird sich sodann wieder für den nächsten Tag ankündigen.

Erkundigt man sich beim Tavernenwirt nach Seachnall, wird er nur mit den Achseln zucken und etwas in der Art von „Ist ein armer Kerl, den hat das Schicksal schwer geschlagen“ grummeln, sich aber sonst nicht sehr gesprächig zeigen (Muss man denn auch auswärtigen Reisenden alles auf die Nase binden, was in Cuanscadan geschieht. Kennt man ja, verdirbt nachher noch den Ruf der Stadt …)

Seachnalls Lebensgeschichte lässt sich gerafft darstellen: seine Ehefrau starb noch im Kindbett, war aber in solchem Maße vermögend, dass er sich eine längere Zeit keine finanziellen Sorgen machen musste. Seine Tochter Eilinn wuchs unter seiner Obhut im wirklich ansehnlichen Anwesen auf (abgesehen von der kurzen Zeit, die sie als Pflegekind beim Bruder mütterlicherseits verbrachte). Vor fünf Jahren, als sie 17 Jahre alt war und die beiden längst in die Altstadt umsiedeln mussten, weil das Geld knapp wurde, überwarf sie sich mit dem Vater und verließ ihn. Gleich im Jahr darauf fiel sie einem bestialischen Messermörder in die Hände, der seinen ausschließlich weiblichen Opfer in den engen Hafengassen auflauert. Nall gab sich die Schuld an ihrem Tod, sein Verstand verwirrte sich (jedenfalls in einem solchen Maße, dass es selbst für einen Cuanscadaner auffallend wurde), und seitdem heuert er ein ums andere Mal Abenteurergruppen an, um ihm seine Tochter – nach seinem Dafürhalten lebt sie noch! – heil zurückzubringen.

Ach ja, an seiner Vita stimmt einiges nicht. Ob er einen Bruder hat: Keine Ahnung, möglich wäre es. Das wäre dann auch ungefähr das einzige, was an Nalls Erzählung … Nall, genau, so heißt er nämlich. Manche – besonders die Händler, die sich mit den unzufriedenen Abenteurern herumschlagen müssen – nennen ihn mittlerweile auch „Nall der Narr“. Er entstammt einer durchaus gut situierten Familie aus Deasciath. Die Wege führten ihn in jungen Jahren nach Cuanscadan, dort gab er sein Eheversprechen einer adretten Einheimischen mit Namen Moiná, die auf ein erkleckliches Vermögen zurückgreifen konnte. Davon ist nichts mehr übrig, dafür leistet sich Nall in seinem Wahn den schmucken Namen Seachnall ar’sáiledún – was nichts anderes heißt als: Seachnall von der Salzwasserburg.

Beredsamkeit+13

[Verfasser: Karl-Georg Müller. Ursprünglich eingestellt: 10.01.2006. Geändert: 19.01.2006]

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