Spielbericht Sylvester-Con 1977/78
von
Manfred Roth
Der folgende Bericht schildert die Rollenspiel-Ereignisse beim Sylvester-Con 1977/78. Der Con fand in der heimeligen Hütte von Elsa und Jürgen Franke statt und könnte als der 1. Rollenspiel-Con mit deutscher Beteiligung durchgehen – und er zeigt exemplarisch, wie es sich damals noch so abspielte. Frank und frei von der Leber weg wurde gerollenspielt, ohne große detektivische Detailarbeit oder ellenlanges Grübeln oder gar gute Gespräche mit Freunden, Fremden, Findelkindern. Stattdessen (und hier verklärt sich der Blick des Schreibers): Draufhauen, Abhacken, Einsacken. Kurz & gut: zu den Guten gehören, aber böse sein dürfen. So war das damals, in der guten, alten Zeit. Doch lest selbst den Original-Bericht von 1978, der in den „Schlangenschriften“ innerhalb des Fantasy-Clubs „Follow“ erschien.
Abenteuer in Erainn
Spielhandlung des 1. Empires of Magira-Cons
„Empires of Magira“ ist ein auf Magira angesiedeltes Fantasy-Rollenspiel, bei dem die Spieler für Einzelpersonen spielen und unter Leitung eines Spielleiters diverse Abenteuer bestehen. Kommen sie dabei ums Leben, so werden für sie neue Persönlichkeiten ausgewürfelt. Daneben treten im Spiel sogenannte Nicht-Spieler-Charaktere auf, d. h. Figuren mit ausgewürfelten Eigenschaften, deren Reaktionen im wesentlichen vom Spielleiter bestimmt werden.
Der folgende Bericht über die erste Empires of Magira-Partie wird ausnahmsweise einem größeren Publikum zugänglich gemacht, um Interessierten einen Eindruck vom Ablauf eines derartigen Spiels zu vermitteln und um insbesondere zukünftigen Spielern und Spielleitern als Anregung zu dienen. Spielleiter dieses ersten Spiels waren Elsa und Jürgen Franke; es spielten mit:
- Axel Benz – Cedric, später Gwyannion
- Ludger Fischer – Rodraic, später Leon
- Karl-Georg Müller – Agadur
- Manfred Roth – Simik, später Adonios
Teil 1: Wie man leicht zu Säcken kommt
Viele Stürme kennzeichneten den Winter dieses Jahres, das später das Jahr 1 nach dem Ende der Finsternis genannt werden sollte. Heftig reagierte die Natur auf die Veränderungen, die mit der Niederlage der Mächte der Finsternis verbunden waren. Einer dieser Stürme im Wolfsmond des strengen Winters dieses Jahres hatte eine sonderbare Gesellschaft in der Wirtsstube des einzigen Gasthauses eines namenlosen Fischerdorfes unten an der Südküste Erainns zusammenkommen lassen.
Trübsinnig blickte Thorgrimm, ein sechseinhalb Fuß großer Wali, ins bereits zur Neige geleerte Glas, nicht etwa aus Trauer über den Verlust so vieler Kameraden, die mit dem walischen Langschiff draußen an der Südklippe untergegangen waren; vielmehr war es die Weigerung des Wirtes, Bier und Schnaps künftig nur nach Vorauszahlung auszuschenken, und Thorgrimms letztes Gold war seinem Durst bereits zum Opfer gefallen. Mit halbem Ohr hörte er die Erzählungen seines Tischnachbarn, eines albionischen Matrosen namens Cedric, der zum erneuten Mal die Geschichte des Schiffsuntergangs erzählte, der ihn und drei Schicksalsgenossen hierher verschlagen hatte; wie sie auf dem Weg nach Corrinis vom Sturm überrascht und von den mutigen Fischern des Dorfes als einzige schließlich vom Tod des Ertrinkens errettet wurden. Rodraic, ein albionischer Edler niederen Landadels, stimmte ihm zu.
Am anderen Tisch unterhielten sich Agadur, ein ranabarischer Magier undefinierbaren Alters, der traurig auf die geknickten Reste seines blausilbernen Magierhutes blickte und die Rändeer seines eingelaufenen Gewandes befingerte, und ein in Tücher gehüllter Tica-Priester namens Simik. Zumindestens dem Ranabarer hatte das Bad im eiskalten Wasser gutgetan, war doch der arttypische Geruch seines Volkes aus den Kleidern verschwunden. Nichts dagegen hatte das Wasser den verschmutzten Kleidern des Tica anhaben können, der zum wiederholten Mal preisgab, sein Priestergelübde hindere ihn, die um den Kopf geschlagenen Tücher abzulegen.
Der dritte Tisch war mit einem rothäutigen Huachahatschi-Priester mit unaussprechlichem Namen Ciupipiltin und einem Krieger des gleichen Volkes besetzt. Istayuh hatte keine Einbußen erlitten, als ihr Boot gerade noch den Hafen des Dorfes erreichte, um dort zu sinken, während des Priesters farbenprächtiger Federputz doch arg mitgenommen aussah.
Jeder machte sich Gedanken, wie er denn nun von diesem trostlosen Fleckchen Erde wegkommen könnte, als die Götter ein Einsehen hatten und Hilfe schickten in Form eines thuahtischen Magiers, in dem Agadur den in Zauberkreisen bereits ein gewisses Ansehen besitzenden Uisnech erkannte. Der Thuatha suchte Begleiter, die ihn auf seinem Weg nach Corrinis schützen sollten. Froh über diese Gelegenheit stimmten alle Anwesenden zu, um so mehr, als der Magier ihnen 50 Goldstücke für jeden und die Hälfte der möglicherweise auf dem Weg anfallenden Beute versprach. Auf Thorgrimms Drängen hin übernahm er auch noch die Zeche für diesen Abend, wonach er sich nach kurzer Beratung mit dem Wirt mit seinen beiden Sklaven in die Zimmer zurückzog. Die Leibwächter, zwei knebelbärtige Lugarer, nutzten die Gelegenheit, nun selbst noch einige Trünke zu nehmen.
Die Hoffnung auf den Morgen hob die Stimmung der Versammelten an. Sie beratschlagten und kamen zu dem Entschluß, für etwaige Beute nunmehr doch zunächst die erforderlichen Behälter, also Säcke zu kaufen. Mit einem gesammelten Betrag machte sich Rodraic auf, im benachbarten Krämerladen diese zu kaufen. In der Zwischenzeit schlug der Tica ein Wettspiel um die noch verbliebenen Goldstücke vor. Daß gerade er sehr daran interessiert war, blieb nicht ungeklärt, denn nach kurzer Zeit hatte er den Übrigen das letzte Geld aus der Tasche gezogen.
Als Rodraic zurückkam, erzählte er vom Liebreiz der Verkäuferin, was ein Fehler war; er hätte berücksichtigen müssen, dass dem ohnehin schon leicht berauschten Cedric diese Gelegenheit günstig erschien, im Vertrauen auf seine Männlichkeit nun auch andere Vergnügen als die des Weines zu suchen. Kurzum, nachdem die Versammelten etwa eine Stunde lang sich unterhalten hatten und der Wirt beim Anblick von Thorgrimms Durst bereits in Schweiß ausbrach, erschien der mittlerweile verschwundene Cedric wieder, ohne Rüstung und leidlich erschöpft, mit 10 Säcken in der Hand. Stolz auf seine Fähigkeiten prahlte er, wie leicht man doch als Mann billig an Säcke herankommen könnte. Seine Erzählungen empörten zumindestens den biederen Landedlen Rodraic, der ihn zur Rede stellte. Verwundert über solche Praktiken in diesem Land schüttelte der Ranabarer den Kopf. Wieviel galt doch die Unschuld eines Mädchens hier!
Plötzlich vermisste Cedric seine Rüstung, worauf ihm siedendheiß einfiel, wo er sie gelassen hatte: am Ort seines Vergnügens mitten im Krämerladen. Er kehrte zurück, fand die Rüstung und den Laden leer und nutzte die Gelegenheit, um noch einige der Säcke mitgehen zu lassen. Der Wirt des Gasthauses sah dies mit Besorgnis, denn er wusste, was nun kommen musste. Und es kam, das Verhängnis für Cedric in Form des Vaters und des Bruders des so schmählich (in zweierlei Hinsicht) beraubten Mädchens. Soweit der Abend auch nach Uisnechs Erscheinen ganz gut abgelaufen war, zur richtigen Stimmung fehlte noch eine zünftige Wirtshausschlägerei. Johlend umstanden die Gäste die beiden Faustkämpfer, den unsicher wackelnden Cedric und den schon betagten Vater des Mädchens, der alsbald von Cedric zu Boden geschickt wurde. Doch Übermut rächt sich und im eisernen Griff des Bruders, geschüttelt und mit dem aufsteigenden Inhalt seines Magens beschäftigt, willigte der albionische Matrose denn zur Rückgabe der Säcke ein.
Der Rest des Abends verlief in der üblichen Weise, wie solche Winterabende nun abzulaufen haben. Die lugarischen Leibwächter des Thuatha, mit den klangvollen Namen Serkhan und Solman und beträchtlichem Trinkvermögen ausgestattet, wurden ausgehorcht, konnten aber nichts Wesentliches über den Magier aussagen (oder wollten zumindestens nicht). Als selbst Thorgrimm zum Schlafen den bei den Walis üblichen Platz aussuchte, den Boden unter dem Tisch nämlich, war es das Zeichen für die übrigen, dem Wein Tribut zu zollen.
Teil 2: Wie schnell man Vater wird
Nach kurzer Ruhe nur wurden die müden Krieger unerbittlich vom Thuatha Uisnech aufgescheucht. Kalt dämmerte der Morgen heraus, als die beiden Sklaven des Magiers, ein schwächlicher Lugarer namens Özgul und ein desto kräftigerer Jaguarkrieger Nahuscha, das Pferd aus dem Stall zogen und es beluden. Dann stapfte die seltsame Gruppe davon – nach Norden zunächst, um die Halbinsel zu durchqueren und dann in Richtung Corrinis zu marschieren. Bedingt durch die vorige Nacht kam man am ersten Tag nur langsam voran. Kein Baum oder Strauch unterbrach die weiße Schneedecke über dem Tiefland von Süderainn; nur Thorgrimm fühlte sich hier verständlicherweise wohl.
Doch die Nachwirkungen der Nacht vergingen, und die Trostlosigkeit der Landschaft wurde erträglich. Cedric prahlte bereits wieder, und so ging es auf den Abend des dritten Tages der Wanderschaft zu, als die Gruppe von plötzlich auftauchenden Hlakas, fliegenden Humanoiden, deren Baumstädte in den Wäldern Agenirons zu finden sind, überrascht wurde. Doch hier zeigte sich, wie gut der erfahrene Thuatha sich seiner Haut wehren konnte. Es war ihm bekannt, wie die Hlakas das Meer und alle seine Schrecken fürchteten und so zauberte er eine Illusion, die sechs Bepelzten befänden sich auf einem Schiff. Schwankend und mit allen Anzeichen der Furcht taumelten vier der Flieger davon; die beiden übrigen hatten keine Chance gegen die Übermacht der Krieger und wurden von den Albioni niedergemetzelt. Da ohnehin bald Abend war, beschloß man, gleich hier zu rasten, während der in diesen Sachen recht geschickte Tica die Hlaka aus ihren Fellen schlug und sie sich zum Schutz um die Schultern hängte, denn er als Wüstenbewohner litt am meisten unter der Kälte.
Weiter ging die Wanderschaft. Der Schnee wurde dünner und schließlich vom einsetzenden Regen weggetaut. Der Thuatha suchte den Weg mittels einer rohen Kartenskizze zu bestimmen und hielt nach einem Waldstück Aussicht. Umso größer war seine Freude, als tatsächlich am fünften Tag der Wanderschaft im Norden der lichte Wald auftauchte, wie er im nördlichen Erainn und auch in Albion verbreitet ist. Zum ersten Mal konnte man das Lager auf trockenem Grund unter Bäumen aufschlagen und Brennholz zum Lagerfeuer gewinnen.
Umso größer war die Überraschung am nächsten Morgen, als man einen völlig verstörten Cedric und zu seinen Füßen – ein nacktes weibliches Baby fand! Nur zögernd war der Albioni dazu zu bewegen zu erklären, was des Nachts geschehen war: wie ihn eine mächtige hypnotische Kraft zum Aufstehen gezwungen hatte, ihn in den Wald hineingelockt und dann zu gewissen Dienstleistungen an einem zauberisch schönen Geschöpf gezwungen hatte. Erst im Lager wachte er wieder auf – und siehe da, er war Vater geworden.
Mit derartigen Schwierigkeiten hatte auch der Thuatha nicht gerechnet, und so vergeudete die Gruppe einen ganzen Tag, um über die Körperpflege von Babys zu diskutieren. Schließlich hüllte man Cedrics Tochter in eines der Hlakafelle und setzte sie auf das Packpferd. Wahrlich, noch viele unerforschte Wunder gibt es in den erainnischen Wäldern, und die Begegnung mit der Waldfee war nur eines davon.
Im Folgenden allerdings verblüffte die Tochter Cedric und die Gruppe immer mehr, denn obwohl sie nur rohes, blutiges Fleisch von gefangenen Kaninchen zu sich nahm, wuchs sie binnen eines Tages so viel wie Normalsterbliche innerhalb eines Jahres. Allerdings hätte es Cedric lieber gesehen, wäre seine Tochter ohne die grüne Haut und die borkigen Warzen im Gesicht geblieben. Der Ticapriester taxierte hin und wieder das Mädchen und überlegte, wie viel man beim Verkauf auf dem corrinischen Sklavenmarkt wohl aus ihm herausschlagen könnte, denn er war früher Sklavenhändler gewesen.
Teil 3: Warum man Siabhra nicht reizen soll, besonders wenn diese in der Überzahl sind
Die Gruppe gewöhnte sich aneinander und begann zusammenzuarbeiten. Als am zehnten Tag des Weges wiederum drei Hlaka auftauchten, bedurfte es keiner Worte. Uisnechs Illusion ließ die Flieger sich als Feinde sehen und gegenseitig auf sich einhauen, während Istayuh ein fröhliches Scheibenschießen veranstaltete und nacheinander alle drei mit seiner Schleuder herunterholte. Der Tica wollte zugleich beginnen, die Wesen abzuhäuten. Als er jedoch dem scheinbaren Anführer den Gürtel abnahm und ihn achtlos wegwarf, öffnete sich eine verborgene Schnalle und heraus kullerten mehrere Edelsteine, so groß dass allen die Sprache wegblieb. Mindestens 50 000 Goldstücke mussten sie wert sein, und zur Feier des Tages ließ sich der Magier herab, einige mitgenommene Weinflaschen zu öffnen.
Doch dann wurde es ernst: am 14. Tag tauchten zehn, zum Teil schwerbewaffnete Siabhra, die Krieger des Chaos, auf. Furcht übermannte die nunmehr auch zahlenmäßig unterlegene Gruppe und nur Agadurs magische Illusion einer Feuerwand ließ sechs der Kreaturen vorerst fliehen. Im sich nun entwickelnden harten Kampf mussten zwar alle vier Siabhras ihr Leben lassen, doch wurde der Tica vom letzten Zucken eines Sterbenden getroffen und hauchte blutbesudelt seine Seele aus. Keine Zeit blieb ihnen, sich um ihn zu kümmern, denn die geflohenen Kreaturen kehrten zurück, heulend vor Wut über ihre getöteten Gefährten. Waffengeklirr und Schmerzensschreie hallten über die Lichtung am Waldrand, doch das Ende der Finsternis über Magira hatte ihre Kreaturen so geschwächt, dass sie zur leichten Beute wurden. Doch auch Rodraic von Albion fiel, nachdem er eigenhändig zwei Wesen durchbohrt hatte.
(Desweiteren berichtet wahrheitsgetreu vom Gelehrten Adonios aus Kreopolis): Freund Leon, wie ich aus Chryseia, wirft mir ja immer übertriebene unmännliche Eitelkeit vor, aber was kann ich für meine Schönheit. Haben nicht meine Eltern mich treffend Adonios genannt, als sie ihr wunderschönes Kind zum ersten Mal erblickten? Und dass ich immer einen kleinen Spiegel bei mir habe, kann man mir doch nicht verbieten, oder?
Wie dem auch sei, wir waren mal gerade auf dem Weg nach Corrinis, zu zweit und zu Fuß, denn wir fürchten uns nicht vor den Gefahren und haben schon manchen Strauß miteinander ausgefochten. Die Szene, die sich uns bot, war sehr konfus: ein Haufen toter Siabhra, rings um einen ebenfalls leblosen Albioni; ein riesiger blutbespritzter Wali; ein anderer Albioni, der gerade dem letzten Wesen den Garaus machte; zwei zitternde Sklaven, die ein schnaubendes Lastpferd beruhigten; ein etwa zehnjähriges borkenhäutiges Mädchen, das eifrig die blutenden Wunden der Siabhra leckte (?); ein älterer Thuatha und ein Ranabarer, der gerade seinem getöteten Gefährten, einem Tica, die letzten Goldstücke aus der Tasche zog, und noch einige andere Figuren. Nachdem ich festgestellt hatte, dass keiner schöner war als ich selbst, verließen wir den Platz hinter den Bäumen und schlossen uns dieser seltsamen Gruppe an. Daß sie für 50 000 Goldstücke Edelsteine bei sich hatten, verrieten uns die Brüder erst in Corrinis, doch dazu später. Nachdem die toten Kameraden begraben und die Waffen der Siabhra verteilt waren, brachen wir dann gemeinsam mit den Leuten nach Corrinis auf und gelangten nach vier Tagen an den Rand des großen Waldes, in dem die Grenze zwischen Erainn und Albion verläuft.
Teil 4: Im Dungeon. Von hinterlistigen Zauberern und klebenden Stühlen.
Hätten wir uns nicht mit diesem thuathischen Magier eingelassen! Von jeher ist den Albioni und den Bewohnern von Erainn nichts Gutes aus dem Norden herabgekommen. Kaum hatten wir einen halbverfallenen Turm mitten im Wald betreten, als der Magier uns überlistete. Sein Höriger Solman verrammelte von außen die Tür und zwang uns, drinnen zu bleiben. Der Magier murmelte höhnisch etwas von einem magischen Buch vom Tanz des Todes, Leabhar Riancei Eaig in der Sprache von Erainn, das er zu suchen gedenke und weshalb er eigentlich uns mitgenommen habe. Natürlich waren alle außer Serkhan und den Sklaven nicht gerade erfreut darüber, aber was sollten wir machen? Darum, wie Thorgrimm sagte: „Augen zu und durch!“ Der Thuatha hatte einige Beschreibungen aus uralten Büchern, wo denn nun das Buch zu finden sei, aber vage und verschwommen.
Zum Glück wenigstens hatte der Magier eine Anzahl von Harzfackeln dabei, so dass genug Licht vorhanden war. Der Raum unterhalb der Eingangstür, durch eine Wendeltreppe zu erreichen, lag schon beträchtlich unter dem Erdboden draußen. Aus einem der Fenster, dessen Laden wir öffneten, quoll Erde heraus. Thorgrimm erwies sich in der Folgezeit als unentbehrlicher Türzerschmetterer, wie er auch die angrenzende Tür öffnete. Kaum hindurch stieß ein Speer, glücklicherweise unvergiftet, herab und verletzte den Lugarersklaven leicht am Fuß. Fürwahr kein guter Auftakt.
Durch schmale Gänge und den dazwischenliegenden Raum der Untoten meidend gelangte man hierauf zu einem Empfangsraum; wie das ganze Gebäude ineinander verschachtelt war, führte auch hier eine kleine Treppe in ein unteres Stockwerk hinab. Auf ihr kauerte ein kleines Häufchen Elend, ein aranghischer Magier namens Sitaloa, dessen Angstschweiß schon von weitem spürbar war. Als Mitglied einer anderen Gruppe von Kriegern, die vor wenigen Tagen ins Gewölbe gezogen war, war er der einzige Überlebende, doch vor Furcht so elendig, dass er kaum stehen konnte. Immerhin war er fast so schön wie ich, und das war ein Grund ihn mitzunehmen.
Kaum fertig verhandelt, erhob sich ein großes Geschrei. Denn während alles sich dem Arongoa zugewandt hatte, fühlte Leon ein dringliches Bedürfnis in sich aufsteigen, dem Abhilfe verschafft werden musste. Leon, als Edler mittleren Adels doch einigermaßen erzogen, zog sich diskret zurück und hinter eine Statue, die dort in der Ecke stand. Wie groß sein Erschrecken, als die Statue zu schreien begann; Lehmklumpen lösten sich von der Oberfläche und offenbarten ihr bronzenes Inneres. Voller Eile sammelte Leon die feuchten Brocken auf und kleisterte die offene Stelle wieder zu, wobei er etwas von lebenden Statuen in seinen Kettenpanzer murmelte. Beim Durchwühlen eines Erdhaufens in der anderen Ecke des Raumes zeitigten wir jedoch eine Erfolg: ein glitzernder Goldbarren war der erste einer Reihe von Schätzen, die wir finden sollten.
Mit dem Schreien der Statue im Ohr drangen wir weiter vor, besonders als hinter einer Tür sich glücklicherweise schnell entfernendes Hufgetrappel vernehmen ließ. Mit Minotauren und ähnlichem Getier wollten wir vorerst nichts zu tun haben. Ein mühsam zu überwindender Schutthaufen führte uns in den Saal der Hühner, was uns bewies, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Die blass getünchten Wände zeigten verschiedene Arten Geflügel in nicht minder zahlreichen Arten ihrer Zubereitung. Bevor noch das Wasser im Mund zusammenlaufen konnte, öffnete Thorgrimm in seiner direkten Art die nächste Tür. Eine Balustrade zeigte linkerhand eine große Treppe, auf der, schlecht für sie, fünf Mrur lagerten. Die sofort hinuntergeschleuderte Fackel traf keinen dieser Untoten, bewirkte jedoch ihre Flucht, allerdings nach oben in unseren Rücken. Doch wo Mrur sind hilft Feuer, und Feuer brennt erst durch Öl richtig schön. Drei Mrur verbrannten unter derart abstoßendem Gestank, dass man schnell weiterzog. Direkt in den Rachen des nächsten Ungeheuers führte der Weg. Thorgrimm, ein Riese von einem Mann, verschwand zwischen den zuschnappenden Kiefern eines riesigen, vier Klafter langen Borstenwurmes. Doch der Bissen war zu groß, und als Cedric ein lebenswichtiges Organ des Wurmes zerschmetterte, tauchte denn auch Thorgrimm aus dem Magen auf, unverletzt und mit stoischer Ruhe. Der üble Geruch und die Magensäure hatten ihm wenig anzuhaben vermocht, verständlich dem, der die üblichen Schlafstätten der Walis kennt. Doch hatte dieses Ereignis an den Nerven der Gruppe gezehrt, so dass gerastet wurde.
Als Agadur eine versteckte Schriftrolle aufspürte, kamen wieder einmal meine Fähigkeiten als Gelehrter zu ihrem Recht. Wie können diese Leute eigentlich in der Welt überleben, wenn sie nicht einmal Altmythanisch beherrschen? Jedenfalls forderte die Rolle dazu auf, vom Tisch der Götter so lange zu essen, bis es dem Betreffenden nütze. Unverständlich zunächst, denn der nächste Raum war ein großer Saal mit Säulengängen ringsum. Prompt rollten von dort drei Muagh, kleine runde Wesen aus Plasma, auf uns zu, die in Farbe und Form an echt albionischen Wipfelbeerenpudding erinnerten. Derlei kulinarische Genüsse verschwanden jedoch, als die Puddinge, vom Feuer der Fackeln getroffen, als hässliche verbrannte Geleeklumpen den Boden verunzierten.
Agadurs Freudenruf gellte durch den Säulensaal, als er die nächste Tür öffnete und den Tisch der Götter vor sich sah. Fürwitzig wie immer nahmen er und Cedric die beiden Plätze vor dem vor Speisen berstenden Tisch ein – und wurden gefangen? Des Orakels dunkler Sinn erfüllte sich, sie mussten essen, was auf den Tisch kam. Dadurch behindert musste die Gruppe im Säulensaal verweilen.
Als hätten sämtliche Ungeheuer sich verschworen, tauchten sie nun auf. Doch im Vertrauen auf unsere Kämpferqualitäten hielten wir aus und metzelten nacheinander alle nieder. Wie sagt doch Dichtermund: Kein Kämpfen war’s, ein Schlachten nur, mit Fäusten schlug man ein! Als der Trubel sich legte, pressten Thorgrimm und Leon reines Linnen gegen den Strom des Blutes aus ihren Wunden, doch lagen vier Siabhra und drei Shedra tot in der Halle.
Nachdem die beiden am Tisch endlich die Portionen von zehn ausgewachsenen Männern verschlungen hatten, konnten sie sich erheben, begreiflicherweise aber nur schwer fortbewegen. Darum suchte man ein Nachtquartier in den ehemaligen Gästeräumen, deren Türen man zunagelte. Eine glückhafte Vorsichtsmaßnahme, denn mehrere anscheinend große Kreaturen pochten nachdrücklich dagegen. Die Türen hielten jedoch. Viel schlimmer in jener Nacht war, dass Agadur und Cedric sich erleichtern mussten; zum Glück waren es zwei Räume für die Nacht.
Teil 5: Wie Musik betören kann. Wie das Spiel des Schicksals ablief
Nun denn, auch diese Nacht ging vorüber und vorsichtig rückten wir weiter vor. Hinter dem Säulensaal musste sich der ehemalige Herrschersaal befinden, wovon die verschiedenen, allerdings stark beschädigten Fresken an den Wänden zeugten. Ein großer, steinerner Thron schloss diesen Saal ab: der »Thron, der dem darauf Sitzenden neue Einsichten gewährt«. Nunmehr allerdings waren Cedric und Agadur gewarnt, und nur der Lugarer Serkhan, wohl auf einen Wink des Thuatha, wagte den Schritt. Was geschah? – Ein völlig veränderter »Serkhan« stieg vom Thron herunter. Äußerlich derselbe wohnte ihm nun der Geist des Wolsers Gaius inne, wie dieser mit Serkhans Stimme kundtat. Mehr als ein Jahrhundert müsse inzwischen vergangen sein, seit er in dem seelenaustauschenden Thron stecke, und erfreut sei er natürlich über die Befreiung.
Nun, dies war nicht der erwartete Erfolg, den der Thuatha seinem Diener zugedacht hatte und kurzerhand beschloss er, einen der Sklaven auf den Thron zu setzen. Dies vorausahnend ergriff Nahuscha die Flucht und verschwand durch die nächste Tür, ein Vergehen, das eigentlich den Tod eines jeden Sklaven zur Folge gehabt hätte. So aber packte ihn Agadurs magische Faust und hob ihn auf den Thron, wo er fortan in steter Qual seine Tage verbringen musste. Im Körper des Jaguarsklaven aber erschien, wie kalkuliert, der gute Lugarer, natürlich nicht allzu sehr erfreut über den Tausch, aber der Wolser war nicht zu bewegen, wieder auf den Thron zu klettern.
Im nächsten Raum, dem Saal der Banner, lagen verschlissene Teppiche auf dem Boden. Cedrics vorwitzige Art ließ ihn einen anheben, natürlich genau den, der präpariert war. Nur mit Feuer konnten wir seine Reste von der Hand des Albioni lösen, der fortan Brandwunden und immerwährendes Misstrauen gegen Teppiche im Herzen trug. Als ob er mit der Tochter noch nicht genug bestraft wäre!
Zimtartiger Duft erfüllte plötzlich den Raum; drei der Dämonenkrieger, der Naga, erschienen durch eine Geheimtür. Leons wuchtiger Schlag fällte den vordersten und während dessen Genossen ihn aus dem engen Gang zogen, konnte unsere Gruppe durch verschiedene kleine Zellen flüchten. Wie ein gelernter Schließer öffnete Thorgrimm Tür um Tür, doch schienen wir in einen abgelegenen Teil des Palastes geraten zu sein, denn nur leere Räume taten sich uns auf.
Ein leiser Ton in der Luft steigerte sich immer mehr zu misstönendem schrillem Pfeifen, und schließlich trat aus der zuletzt geöffneten Tür ein kleines missratenes Wesen mit einer Flöte hervor, der letzte Anblick, der sich in meinem Gedächtnis wieder findet. Drum kann ich nur berichten, was später von dem Magier Sitaloa berichtet wurde: Alle ohne Ausnahme verfielen mit dem Flöten in tranceähnliche Starre und folgten dem Spieler durch die Gänge. Sitaloa, den misstönenden Klang aranghischer Muschelhörner gewohnt, blieb als einziger Herr seines Willens, doch die Angst, wieder allein im Labyrinth zu verbleiben, bewog ihn zum Handeln. Er riss der ihm am nächsten stehenden Tochter Cedrics die Hlakafelle vom Körper und presste sie ihr an die Ohren, worauf sie sofort wieder zu Bewusstsein gelangte. Gleiches tat er mit Cedric. Mit ihnen folgte er, so gut es ging, der Gruppe, konnte sie aber nicht erreichen, da es ihnen nun an Fackeln mangelte. Als es in einem größeren Raum zu einer Stockung kam, trat Sitaloa beherzt hinzu und schloss die Falltür, die dort in ein unteres Stockwerk hinabführte. Das letzte, was er sah, war Thorgrimms verzücktes Gesicht unter dem Hörnerhelm, auf den nun die zuschlagende Holzklappe herabdonnerte.
Als ich wieder ein freies Bewusstsein erlangte, blickte ich mich um und sah den thuathischen Magier, Ciupipiltin, den Lugarersklaven und Serkhan im Körper Nahuschas neben den drei genannten. Alle diese waren der hypnotischen Wirkung der Musik entronnen. Nicht lange gefackelt, zerschnitten wir die Hlakafelle und verwendeten sie zum Verschließen der Ohren sowie als Brennmaterial. Dann verfolgten wir die Gefährten, hatte doch Agadur in seinem Sack die bisherige Beute bei sich.
Nicht achtend der Gefahr und der Umgebung stiegen wir hinab ins Untergeschoss und eilten rasch hinter der Gruppe her. Zu eilig – denn beinahe wären wir an einer Geheimtür vorbeigerannt, durch die unsere Freunde verschwunden waren. Nur eine plötzlich vor der Wand endende feuchte Spur wies uns im letzten Moment den richtigen Weg – wieder einmal Freund Leon, der vor Angst seine gute Erziehung vergessen hatte. Wir gelangten in einen Totenraum, in dem Särge und Urnen standen. Ein fürchterliches Fluchen zeigte uns, dass wir auf dem richtigen Weg waren: Eine besonders enge Stelle des Ganges war Thorgrimm zum Verhängnis (oder zum Glück) geworden, denn nun steckte er festgeklemmt zwischen den Wänden. Mit vereinten Kräften schubsten wir ihn durch und betraten alsdann den Saal des Spieles.
Wir betraten ihn nur zögernd. Der Thuatha hob einen kleinen Gegenstand auf, scheinbar ein magisches Auge. Dann erhoben sich Blitze und unsichtbare Wände um uns – und zum zweiten Mal verlor ich meinen freien Willen! Wieder sei berichtet, was diesmal Agadur zu sagen hatte: Wie die entführten Gefährten noch in Trance aus einer Seitentür herbeikamen und ähnlich uns in bestimmte Positionen an der einen Seite des auf dem Boden zu sehenden Spielbrettes aus Sechsecken geschoben wurden; wie ein Coraniaid hinzukam; wie auf der anderen Seite ein schwarzer König des Schattens eine Horde Siabhra, Trolle und Kentauren anführte; wie aus dem inneren Kreis sich eine Schlange erhob. Von der Seite aus beobachteten Agadur und Sitaloa das wirre Kämpfen wie unter Zwang, als stünden außerhalb die Götter selbst, uns als Figuren zu bewegen. Zischend versengte der Thuatha mit dem aufgefundenen Auge des Blitzes mehrere Siabhra; ein Troll stürzte sich auf den Huachahatschipriester, doch dieser entschied den Streit für sich; Leon überrannte den schwarzen Schatten und wurde selbst zu diesem; in seiner bösartigen Inkarnation griff er Cedric an – und wurde besiegt! Der Schatten der Nacht verschwand, und Leons Geist manifestierte sich in Cedrics Körper – das Heer der Finsternis glitt davon. Das Licht hatte den Sieg davongetragen, doch Cedric wurde nicht mehr lebendig und musste im Saal des Spiels zurückgelassen werden. Als ich das Bewusstsein wiedererlangte, ärgerte ich mich darüber, erneut das beste versäumt zu haben. Zudem hatte ich meinen kleinen Spiegel auf der Flucht vor dem Flötenspieler verloren!
Teil 6: Warum Arracht zu recht gemieden werden und wie man durch Verkleinerung der Gruppe einen höheren Beuteanteil erzielt
Böse Blicke trafen den Thuatha, der aber nach wie vor auf der Suche nach dem magischen Buch war und sich nicht davon abbringen ließ. Also nahm das Unglück seinen weiteren Lauf: Unter Agadurs Füßen gab eine Treppenstufe nach und er trat in einen vergifteten Dorn, doch zähes Ranabarerblut überwand das Gift. Ciupipiltin, der Ungeschickte, stolperte jedoch und verletzte sich ebenfalls – unter grässlichen Krämpfen musste er sein Leben lassen.
Endlich schien sich aber nun das Ziel der Suche zu nähern, denn aus den Fresken an den Wänden war unschwer zu erkennen, dass die folgenden Räume die einer Bibliothek waren. Hast erfasste die drei Magier und wild stürzten sie sich auf die Reste von Schriftrollen und magischem Gerät in diesen Räumen. Uns dummen Kriegern fiel es zu, zu sichern. Und Sicherheit tat not, denn urplötzlich erfüllte schrecklicher Geruch den Raum, in dem gerade die Gruppe versammelt war. Arracht, die Gemiedenen, senden solchen Gestank aus. Alles versuchte zu fliehen, wie wild dieser unerträglichen Qual zu entgehen, doch zu sehr umnebelte sie das Gehirn, als dass schnelles Öffnen der Türen möglich gewesen wäre. Und dann standen sie vor uns: zwei der Gemiedenen, wohl ebenfalls auf der Suche nach dem magischen Buch. Der Thuatha hatte, ohne genau hinzusehen, mehrere dicke Folianten an sich gerissen, ehe auch er flüchten wollte. Nun jedoch war es zu spät, und nur Leon, Serkhan und ich konnten uns in den magischen Bannkreis von Uisnechs Amulett retten, so dass die Panik durch den Geruch entschwand. Zudem sandte Uisnech eine Feuerwandillusion, der jedoch nur der Arrachtkrieger zum Opfer fiel; irritiert ließ er das Schwert sinken. Nun begann der aussichtslose Kampf unsererseits gegen den schier übermächtigen nichtmenschlichen Magier, der uns eine tödliche Wolke aus Giftgas entgegensandte. Schwer angeschlagen taumelten wir zurück; nur Serkhan wurde voll von der zauberischen Kraft getroffen. Panikartige Flucht rettete uns und die Gruppe vor diesem unheimlichen Gegner, der sich selbst durch die Giftwolke den Weg abgeschnitten hatte.
Doch keine Ruhe war uns beschieden: als bald darauf ein mächtiger, muskelbepackter Ranabarer dahergeschritten kam, rüsteten wir uns schon zum Kampf, doch war er, Ramadur, ein Begleiter unseres Arongoa gewesen, der ihn begrüßte und uns sich anschließen ließ. Über das Spielbrett und den engen Gang, durch den Thorgrimm wieder mühsam bugsiert werden musste, gelangten wir wieder in die Grabkammer. Vielleicht waren Wertgegenstände im Sarg und in den Urnen, weiß man doch, dass viele Völker ihren Toten wertvolle Grabbeigaben mitgeben. Der Ranabarer zerschmetterte mit der seinem Volk eigenen Pietätlosigkeit die Urnen und zertrat einen Skorpion, der herausfiel, aber auch 60 Goldstücke. Anschließend stocherte ich mit der mir angeborenen Voraussicht in den Augen des stilisierten Totenschädels an dem Sarg herum, worauf dieser natürlich sich öffnete. Heraus kam – ein Skelett, doch ein kräftiger Hieb mit der Pike ließ Knochenbein vorerst niedersinken. Da ich bereits ein schönes Eisenschwert besaß, ließ ich es zu, dass der Wolser das feinziselierte des Skeletts aufnahm. Ein Fehler – mit irrsinnigem Kreischen bohrte es sich in seine Brust, ein unschönes blutiges Loch im Plattenpanzer hinterlassend. Als wenn es gerufen wäre, flog es zurück in die Hände des Skelettes, das sich daraufhin erneut erhob, als hätte die Waffe ihm Kraft zugeführt. Doch Istayuh beendete nun endgültig das Pseudoleben des Knochengerüstes, indem er wirkungsvoll seine weißen Gebeine zerbrach. Nun nahm Leon das Schwert auf, und es entpuppte sich als intelligente, den Eterniten der Ewigen Wacht geweihte Waffe, denn so nur war es dem wolsischen Ungläubigen zum Verhängnis geworden.
Nunmehr tauchte ein weiteres Mitglied jener ersten Gruppe auf, die vor uns ins Labyrinth eingedrungen war: Gwyannion, ein albionischer Krieger, dem Anschein nach sehr stark an Kraft und auch Geist. Doch der erste Schein kann täuschen. Nun denn, man zog weiter auf dem bereits bekannten Weg, um nun endlich den Ausgang wieder zu erreichen, denn nun waren wir bereits über zwei Tage im Labyrinth. Die Falltür hob sich, wir erklommen wieder den ersten Stock – und standen vor einer Waffenkammer mit mehreren wertvollen Schwertgriffen und Juwelen, was natürlich die Stimmung hob.
Tür um Tür sank vor der Axt des unermüdlichen Thorgrimm nieder – eine zuviel! Eine dürftig bekleidete Amazone entschlüpfte einer Kammer und becircte Thorgrimm derart, dass er ihr überall hin folgen wollte. Man weiß ja, wie Walis in diesen Sachen reagieren. Um so mehr drängte man sich um sie, als sie versprach, uns einem Geheimschatz zuzuführen. Dieser war auch vorhanden: sechs flimmernde Edelsteine und Rüstgut im ersten, weitere Edelsteine im zweiten Raum – und das Schoßtier der Amazone, ein gut dressierter Säbelzahntiger, der sofort angriff. Während das Mädchen durch eine Geheimtür verschwand, löste sich Thorgrimms Wut über den Verrat der Angebeteten in einem gewaltigen Hieb, der den Tiger zerteilte – und so das schöne Fell unbrauchbar machte! Zumindest brach ich die langen Elfenbeinzähne heraus. Doch noch andere Sachen waren im Raum: klein und unscheinbar lagen da drei der magischen Augen der Mythanen, um die unsere Zauberer sofort stritten. Nach einiger Zeit kamen sie zur Einigung und endlich konnte der Rückmarsch vonstatten gehen.
Schließlich gewannen wir an der beschädigten Statue und vorsichtig am Raum der untoten Wächter vorbei den Turm – und stellten fest, dass der zuletzt erschienene Albioni zurückgeblieben war. Ob aus Leichtsinn oder Dummheit, er öffnete direkt die Tür zum Tummelplatz der Untoten. Unsere Magier sahen fern und berichteten, was weiter geschah: wie er den Kampf im Vertrauen auf seine Muskeln aufnahm und denn auch zwei der mit blutigen verfaulten Wunden versehenen Wächter niederschlug – dann allerdings erlag er den vier verbliebenen Untoten, und noch auf der Treppe nach oben hörte ich durch die geschlossene Tür das grausige Schmatzen, mit dem sie sich über ihre Artgenossen und den leichtsinnigen Gwyannion hermachten. Ein Festmahl wie dieses kommt eben selten genug.
Dann endlich traf grelles Licht der winterlichen Nachmittagssonne in unsere Augen, und mit einem Braten über dem Feuer erwartete uns Solman, der untätig die zwei Tage verbracht und das Packpferd versorgt hatte. Einer der Folianten, die Uisnech noch immer unter dem Arm hielt, erwies sich als das berüchtigte Buch vom Tanz des Todes, deswegen der ganze Wirbel veranstaltet worden war. Da die beiden anderen nur Kochbücher mit antiken Gerichten und ihrer Zubereitung waren, dienten diese uns im Folgenden als gutes Brennmaterial.
Nach all diesen Gefahren und Anstrengungen verlangte unser Geist nach Ruhe und Vergnügen. Der Magier ließ denn auch weitere Flaschen Wein öffnen. Cedrics Tochter war inzwischen zu voller Blüte erwachsen und erregte, durch das Fehlen der Hlakafelle an ihrem Körper, die ja als Fackelersatz hatten dienen müssen, die unnatürlichen Gelüste einiger der Anwesenden. Dies schien sie zu ahnen – und war verschwunden, als man am nächsten Morgen aus dem nächtlichen Weinrausch erwachte! Auch diese Sorge waren wir los.
Der weitere Marsch verlief ohne Zwischenfälle, so dass wir am 26. Tag nach der Abreise aus dem Fischerdorf die Mauern des Erainn zugehörigen Teils von Corrinis auftauchen sahen. Rückblickend war es doch ein ganz nettes Abenteuer, und bei oberflächlicher Schätzung dürfte jeder ein kleines Vermögen davongetragen haben. Ich werde mir als erstes einen Spiegel und ein Fichtennadeln-Bad leisten, das meine Schönheit voll zur Geltung kommt. Brauche ICH dieses Auge der Macht über Maiden, das Uisnech im Labyrinth erbeutet hat?! Ich werde wohl ein wenig auf Thorgrimm aufpassen müssen, denn der gute Wali ist im Gewimmel einer größeren Stadt ja nahezu hilflos. Und ob sein Geld reicht, das Mobiliar zu bezahlen, dass er unzweifelhaft in seinem ersten Rausch wieder zerschmettern wird?